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Die Distanz hinter den großen Begriffen

Man begegnet in diesen digitalen Räumen Menschen, die reden, als wären sie ständig auf einer Bühne.
Sie werfen mit Begriffen um sich wie Selbstbestimmung, Systemkritik, Dekonstruktion, Freiheit ..
ein ganzes Arsenal an Haltungen.
Alles klingt groß, reflektiert, fast so, als könnte man damit jedes Versäumnis übertünchen.
Und hinter dieser Kulisse liegt etwas Seltsames: Eine Unfähigkeit, Nähe auszuhalten.
Nicht aus Bosheit, sondern aus einer Mischung aus Unsicherheit, Eitelkeit und der Angst, dass echte Begegnung die eigene Rolle zerkratzt.
Also wird jede Annäherung sofort in einen Diskurs verwandelt.
Anstatt „Ja, lass uns mal treffen“, kommt ein Vortrag darüber, wie wichtig Freiheit ist, wie vorsichtig man mit sozialen Energien umgehen müsse, wie anspruchsvoll das eigene Innenleben sei.
Alles klingt nach Tiefe, doch es dient nur dazu, nicht in Berührung zu kommen.
Man selbst kommt schlicht herüber,
nicht mit einem Manifest, sondern mit einem offenen Blick. Nicht weil man besonders tugendhaft wäre, sondern weil das der Normalzustand ist.
Gerade, wenn man aus einer Gegend stammt, in der Nähe nicht als Bedrohung galt, sondern als Teil des Überlebens.
Wo man sich nicht mit Fremdwörtern schützen musste, sondern einfach da war.
Und dann prallt dieses einfache Dasein
auf ein Milieu, das sich in Selbstinszenierung eingerichtet hat.
In dem hat man sich angewöhnt,
Verbindlichkeit als Risiko zu sehen
und Distanz als Reife. Der Ton ist glatt, die Miene souverän, doch in Wahrheit ist da eine enorme Brüchigkeit.
Völlig absurd wird es,
wenn man diese Oberflächenkritik ausspricht und sofort Zuspruch bekommt, von denselben Menschen,
die exakt so leben.
Sie stimmen begeistert zu, als hätten sie nie im Leben die eigene Rolle im Spiegel betrachtet.
Wie ein Chor, der seine eigene Partitur nicht kennt.
Sie reden über Ausbeutung,
über den Kapitalismus,
über Sklaverei in der Arbeitswelt,
als hätten sie das Monopol auf moralische Sensibilität.
Doch wenn es darum geht, einem Menschen einfach respektvoll zu begegnen, ohne Maskottchen-Rolle,
ohne taktische Distanz, ohne Selbstdarstellung, ist plötzlich nichts mehr da.
Keine Verbindlichkeit, keine Wärme, keine Bereitschaft zur Realität.
Nur Begriffe, die wie Schutzwälle stehen
zwischen ihnen und jedem Moment,
der nicht kontrollierbar ist.
Und man bleibt zurück, nicht erschüttert,
sondern irritiert darüber, wie sehr manche Freiheit predigen und doch vor jeder Form von Begegnung zurückschrecken.
Wie sehr sie Weltanalysen liefern
und gleichzeitig die einfachste Form menschlicher Nähe nicht ertragen.
Es ist ein Muster, das überall auftauchen kann, Menschen, die sich selbst für kritisch halten, aber nie merken,
dass sie kritische Distanz mit menschlicher Abwesenheit verwechseln.

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