
Die re:publica hat ihnen wohl einen Schubs gegeben, dem Dirk von Gehlen, Daniel Fiene, Stefan VoĂ, dem Henning Uhle, Thomas Gigold, Katja Evertz und wahrscheinlich noch einigen anderen**, die sich dieser Tage Ăźber âdas Netzâ, Blogs und das Fediverse in ihren Blogs geäuĂert haben. Damals wäre ich wahrscheinlich auf Twitter Ăźber eine meiner Listen oder Hashtags auf diese Beiträge gestoĂen. Heute tauchen sie bei mir im RSS Reader Feedly auf, in dem ich Seiten, die mich interessieren, abonniert und nach Themen und Kategorien sortiert habe.
Ok, auf den einen oder anderen Artikel bin ich auch in Threads oder Mastodon gestoĂen, aber beide soziale Netze spielen bei weitem nicht die Rolle, die Twitter fĂźr mich und einige andere wie Dirk spielt.
Es gibt den einen Ort nicht mehr, an dem ich z.B. direkt nach dem Panel auf der re:publica nachschauen kĂśnnte, wie die Reaktionen sind (sehe aber gutes Feedback bei Threads und auf Mastodon).Wen kĂźmmerts⌠was aus Twitter wurde? (Digitale Juni-Notizen zur republica 24) â Digitale Notizen
Die Twitter-Zeiten kommen nicht wieder â Ist vielleicht auch gut so
Auf Twitter sei âinhaltsgetriebenes Netzwerkenâ eine Selbstverständlichkeit gewesen. Und in einem seiner Findings stellt er fest (oder hofft er), dass ein anderes Netz mĂśglich sei oder sein muss. Wer Ăźber den Niedergang von Twitter jammere und diskutiere, ob denn nun Threads, Bluesky oder Mastodon die Alternative oder der Nachfolger werden, denke zu sehr in alten Kategorien und die alte Zeit komme nicht wieder, meint Stefan VoĂ und spielt auf eine Panel-Diskussion an, an der auch Dirk teilgenommen hat.
Ein Vorschlag dieses Panel voller Langzeit-re:publicaner â so Zeit-Autorin Meike Laaff sĂźffisant â ist, seine Inhalte doch wieder mehr auf die eigenen Webseiten posten, statt sie Plattformen anzuvertrauen, deren Regeln man nicht kontrolliere. Stimmt, neu ist diese Idee nicht, aber sie muss deshalb ja nicht falsch sein. Das ist Ăźbrigens ein Grund, warum ich bewusst in einem Blog schreibe und meine Beiträge nicht originär als LinkedIn-Artikel verĂśffentliche, sie dort lediglich verlinke. Nur mal so als kleine Spitze in Richtung all derer, die nur auf LinkedIn setzen und es massiv pushen.
Das neue, alte Web powered by ActivityPub und Blogs?
Nicht neu, dieser Vorschlag mit den eigenen Webseiten und Blogs, meinte auch Johnny Haeusler im Panel, doch es hat sich technisch einiges getan. In diese Kerbe hauen auch Daniel Fiene und Stefan VoĂ in ihren Beiträgen. Daniel titelt âEine neue Version dieses Internetsâ und regt an, die eigene Webseite oder den eigenen Blog ans Fediverse anzuschlieĂen, das was ich beispielsweise auch mit diesem Blog gemacht habe. Alle Beiträge, die ich hier in meinem Blog unter WordPress.com* schreibe, sind automatisch im Fediverse unter @stefanpfeiffer.blog verĂśffentlicht, mit entsprechenden Clients (zum Beispiel Mastodon, aber auch andere Tools) abonnier- und abrufbar.
@stefanpfeiffer.blog ist dabei eine komplett unabhängige Instanz wie @mastodon.social, @ard.social oder viele andere. Der groĂe Unterschied: Diese Instanz gehĂśrt mir (solange ich die Domäne stefanpfeiffer.blog besitze). Sie ist eben nicht im Besitz eines Mark Zuckerbergs oder Elon Murks, sondern Teil eines dezentralen Netzwerks, in dem alle Mitglieder Ăźber ein gemeinsames Protokoll, den ActivityPub, miteinander kommunizieren kĂśnnen. Ich vergleiche es gerne mit E-Mail, wo man zwischen Google, Mailbox.org und GMX problemlos Mails austauschen kann.
Ein Social-Web, dass uns allen gehĂśrt?
Steffen VoĂ fasst es hier sehr schĂśn zusammen
Im Web 2.0 wurÂden Social-Media-PlattÂforÂmen neben die WebÂsites gestellt. Auf den einen waren die InhalÂte. Auf den andeÂren die DisÂkusÂsioÂnen. Mit dem ActiÂviÂtyÂPub-ProÂtoÂkoll kĂśnÂnen die WebÂsites Social-Media werÂden! Das wäre ein Social-Web, das uns allen gehĂśrt. Allen, die darÂan teilÂnehÂmen und nicht nur Elon Musk und Mark Zuckerberg.re:publica: Social-Media ist tot! Lang lebe Social-Media!
Einige namhafte Anbieter wie WordPress, Flipboard oder Ghost unterstßtzen das ActivityPub-Protokoll und sind somit Teil des Fediverse. Auch Mark Zuckerbergs Threads sind auf dem Weg, ActivityPub in vollem Umfang zu unterstßtzen. Dann kÜnnen Nutzerinnen und Nutzer von Threads Informationen lesen, die beispielsweise auf mastodon.social oder eben unter meiner Instanz @stefanpfeiffer.blog verÜffentlicht wurden, und umgekehrt. Es bleibt jedoch ein wesentlicher Unterschied: Threads ist und bleibt eine Plattform von Meta und Mark Zuckerberg, auf der man einen Kanal pflegt. Die Domäne @stefanpfeiffer.blog gehÜrt dagegen mir (und ja, ich bin in meinem Fall davon abhängig, dass WordPress weiterhin ActivityPub unterstßtzt).
NatĂźrlich bleibt es eine Frage, wie man interessante Instanzen, Nutzerinnen und Nutzer in einem dezentralen Fediverse findet, das aus einigen groĂen, aber auch vielen kleinen Instanzen mit Informationen besteht. Wie knĂźpft man sein Netz wie abonniert man Informationen in Zeiten, in denen es weniger Social-Traffic und weniger Google-Traffic gibt und sich auch die Suche im Web signifikant zu verändern scheint â sobald die derzeitigen Kinderkrankheiten und Halluzinationen beseitigt sind.
Wie finde ich Infos? Wie abonniere ich Infos? Wie tausche ich mich aus?
KÜnnen der Mastodon- oder Threads-Client, die beide ActivityPub als Schnittstelle verstehen, die Informationszentrale werden, so wie es mit Twitter einmal fßr viele funktioniert hat. Oder braucht es gar einer komplett neuen App?Bei mir spielt wie erwähnt mein RSS Reader eine zentrale Rolle, mit dem ich mich interessierende Quellen verwalte und zur weiteren Verwertung organisiere.
[Nachträglich eingefßgt] Frank Stratmann schreibt in seinem Beitrag zu RSS, dessen Stärke und potentielle Schwächen:
Und so ein dynamisches GefĂźhl der Vernetzung entsteht nicht sofort. Eigentlich entspricht RSS der Grundidee einer flachen Vernetzung ohne Hierarchie am ehesten.re:publica24: Es gibt keine tiefere Bedeutung dieser Fixierung auf Reichweite
Kann ActivityPub das neue RSS werden, um Informationen zu abonnieren? Noch fällt es mir schwer, mir das vorzustellen.
Einige Ăźberzeugte Blogger rufen die Renaissance der Blogroll aus, einer handverlesene Empfehlung von Blogs oder Websites auf der eigenen Seite. , Thomas Gigold hat den UberBlog-Ring ins Leben gerufen. Andere setzen auf manuell gefĂźhrte Listen und eine Suche mit Hashtags auf sozialen Netzen. Viele sind Freunde von Newslettern, die trotz der Querelen rund um Substack eine Renaissance erleben. Oder wird es bald persĂśnliche KI-getriebene Agenten geben, die meine Interessen kennen und mir die fĂźr ich relevante Informationen zuspielen?
Ich sehe hier noch nicht die definitive Antwort und vielleicht wird es die auch nicht geben. Und bei allem Enthusiasmus rund um das Fediverse, der tollen Idee eigener, autarker sich âverstehenderâ Blogs und Webseiten mĂźssen wir uns vor Augen fĂźhren, dass âdie Musikâ heute nicht im Fediverse und auf Mastodon spielt. Mit Musik meine ich natĂźrlich die Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer und wie lebendig eine Community, ein Netz ist. Threads hat das Fediverse in der Zahl Nutzer wohl eindeutig ausgestochen. Ok, Threads wird bald komplett an das Fediverse angebunden. Immerhin.
âDie Jungenâ informieren sich anders und sind wo anders
Aber schauen wir uns das Thema mal unter der Generationenbrille an: Passt das Netz der jĂźngeren Generationen zu dem Web der Ălteren? Viele von uns trauern wie erwähnt noch immer Twitter hinterher. Auch ich. Doch das juckt die Jungen nicht, die ganz andere, kĂźrzere Formate zu bevorzugen scheinen.
Nein, die Zeitspanne, wie lang man fĂźr eine Sache Aufmerksamkeit aufbringen kann, ist kĂźrzer geworden. Deshalb boomen ja auch in den sozialen Netzwerken die Storys, die Reels, die sonstwas. Deshalb ist ja auch TikTok so ein groĂer Erfolg. Irgendwas in einer Minute raus rotzen, tolle Wurst.Aufmerksamkeit fĂźr Blogs â Henning Uhle
Und TikTok hat mit seinem Algorithmus vorgemacht, dass Informationskonsum im Netz nicht social sein muss. Steffen VoĂ spitzt es zu:
Der âFor-Youâ-Feed hat PlattÂforÂmen weniÂger social gemacht. Das ist jetzt mehr wie indiÂviÂduaÂliÂsierÂtes FernÂseÂhen mit Likes. Und das passt auch mehr zu den junÂgen LeuÂten, die âsocialâ nicht brauchen.re:publica: Social-Media ist tot! Lang lebe Social-Media!
[Nachträglich eingefßgt] Katja Evertz schreibt in ihrem Blog darßber, wie der Dialog und die Beziehungen auf Plattformen an Bedeutung verlieren:
PersĂśnliche Beziehungen spielen fĂźr Algorithmen seit TikTok eine noch geringere Rolle als Interaktionen bzw. das Nutzungsverhalten. Mein Netzwerk wird irrelevant. Ich sehe nur noch, was der Algorithmus als meine Interessen identifiziert hat.Der Dialog auf Plattformen ist kaputt. | Katja Evertz
Henning setzt noch einen drauf und gieĂt uns, die auf eine Zukunft der Blogs hoffen, Essig in den Wein. Er zielt auf die Aufmerksamkeitsspanne und Konzentrationsphase ab, die bei uns allen immer kĂźrzer zu werden scheint:
Der hoch entwickelte Mensch wird allmählich zum Goldfisch. Traditionelle Webseiten und Blogs werden es in naher Zukunft noch schwerer haben, da die Aufmerksamkeit noch weiter absinken wird.Aufmerksamkeit fĂźr Blogs â Henning Uhle
Klar, Vorsicht vor Pauschalisierung, aber es sieht so aus, dass sich junge Leute im Dreieck Video, weniger Text, kurze Formate, die auf den Punkt kommen und den âFor youâ-Feeds bewegen. 90 Prozent der unter 30-Jährigen nutzen laut Bitkom-Umfrage Instagram, um sich in sozialen Kanälen zu informieren. Danach folgen deutlich dahinter WhatsApp, danach Facebook, alles Apps des Meta-Konzerns. Ăltere lesen lieber, JĂźngere schauen Bilder, so eine ZwischenĂźberschrift in der Bitkom-Pressmitteilung.
Und Ăźbrigens: Auch âfrĂźherâ waren nicht alle auf Twitter
âDie Jungenâ scheinen zumindest âsocialâ in der Art und Weise, wie wir Ăltere es verstehen, nicht mehr zu brauchen. Aber vielleicht brauchten und wollten schon eh und je bestimmte Gruppen das âTwitter-Netzâ, dem wir so nachtrauern, nicht. Es war auch zu BlĂźtezeiten immer ein Netzwerk bestimmter Gruppen, von News Junkies oder einer Netzgemeinde und nicht der Mehrheit, die auch damals â wenn Ăźberhaupt â an anderen Plätzen (wie zum Bleistift Facebook) aktiv war.
Doch zurĂźck zum Fediverse: Was haben also âdie Jungenâ mit einem Fediverse am Hut? Finden sie dort Ăźberhaupt etwas, was sie interessiert? Werden dort die Informationen in der Art aufbereitet, wie es gewohnt sind oder wollen? Derzeit wohl eher nicht. Ich sehe auch derzeit nicht, dass ein signifikanter Player in diese Richtung geht. Die Fediverse-Idee hat gegen die Macht der Plattfomkonzerne und die Bequemlichkeit und Gewohnheiten der jĂźngeren Nutzerinnen und Nutzer â Stichwort Kurzvideos â und die Algorithmen ĂĄ la TikTok im Moment keine Chance. Ob Frank McCourt im Zusammenspiel mit Tim Berns-Lee daran etwas ändern kann?
âDie Jungenâ gucken Videos, aber wir bauen das Fediverse
So, jetzt aber mal ein Punkt. Das Lamentieren ßber das Kurzvideo-Netz der Jungen, den bÜsen Elon Murks und den Friedhof Facebook bringt uns nicht wirklich weiter. Die Idee des Fediverse ist gut und kann zumindest in der alten Netzgemeinde und auch weit darßber hinaus räsonieren. Ich freue mich ßber jeden gut geschriebenen Blog auch jenseits meines Interessenspektrums. Ich wßnsche mir weitere gute Podcasts und interessante Newsletter und hoffe, dass das Fediverse wächst und ich mich dort weiter mit interessanten Menschen austauschen kann. Und ich hoffe, dass ich mal wieder ein re:publica schaffe.
Im Ăbrigen: Verlasst X
Im Ăbrigen schlieĂe ich Dirk an, der anregt, unsere Mandats- und WĂźrdeträger:innen daran zu erinnern, dass sie X nicht brauchen, um sich Ăśffentlich zu äuĂern. HĂśrt nicht mehr auf Eure sogenannten Social Media-Berater. Politikerinnen und Politker sollten dort endlich den Stecker ziehen, statt Herrn Murks weiter zu bedienen, und ihre Inhalte auf eigenen Webseiten publizieremn â am liebsten angeschlossen ans Fediverse.
Kleiner WordPress-ActivityPub-Exkurs
* Kleiner Exkurs fĂźr Techies zur UnterstĂźtzung von ActivityPub auf WordPress.com: Das Protokoll ist in meinem WordPress-Tarif namens Explorer enthalten. Ich muss sie nur aktivieren. Meine Fediverse-Kennung stefanpfeiffer.blog@stefanpfeiffer.blog schreibt mir WordPress aber vor. Um die selbst ausgewählte Kennung digitalnaiv@stefanpfeiffer.blog nutzen zu kĂśnnen, mĂźsste ich den dreifach so teuren Creator-Mode von WordPress.com abonnieren: âDer Creator-Tarif schaltet mit dem ActivityPub-Plugin Profile pro Autor, fein abgestimmte Kontrollen und vieles mehr frei.â Den hatte ich zeitweise mal, aber fĂźr mich als Hobbyblogger lohnt sich das nicht.
Einen Wunsch, der wahrscheinlich schwer zu realisieren ist, hätte ich noch zusätzlich: Ich hätte gerne die Option, meine Konten im Fediverse, also @digitalnaiv@mastodon.social, @stefanpfeiffer.blog sowie @digitalnaiv@stefanpfeiffer.blog und auf Threads threads.net/@stefanpfeiffer.bl⌠(sowie auch andere Netzwerk-IDs) zusammenzufĂźhren. Ich weiĂ, im Moment ein Träumchen.
** Sorry, dass nur männliche Autoren und Blogger genannt sind. Ich gelobe Besserung.
Die Titelgrafik wurde in ideogram.ai mit folgendem Prompt erstellt: A conceptual, vibrant, and abstract representation of the Fediverse in the style of Picasso. The digital universe or galaxy serves as a backdrop, filled with swirling colors and celestial bodies. In the foreground, various platforms are depicted as unique, geometrically distorted islands connected by lines or cables. Mastodon is represented by a mixture of blue and yellow shapes, PeerTube by a spinning wheel-like structure, Pixelfed by a grid of squares, and Friendica by intertwined curved lines. People on these islands communicate with each other through holograms or bridges, indicated by beams of light or transparent threads. The overall composition is a colorful, chaotic, and harmonious celebration of decentralization and the limitless potential of the Fediverse., vibrant, conceptual art
stefanpfeiffer.blog/2024/06/02âŚ
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Die re:publica-Konferenz war lange das Wohnzimmer der Netzgemeinde, die dort eine verheiĂungsvolle digitale Zukunft diskutierte. GefĂźhlt ganz schĂśn lange her. Und nun?
Meike Laaff (ZEIT ONLINE)